Abraham Harold Maslow hat eigentlich keine psychotherapeutische Schule gegründet. Aber er ist sehr einflussreich für Psychologen geworden, die nach ihm kamen.
Heute ist Maslow sogar Gymnasialschülern der Psychologie und Pädagogik bekannt, die „seine“ Bedürfnispyramide auswendig lernen und mit Power Point präsentieren müssen.
Dabei hat Maslow die Pyramide gar nicht selbst entworfen. Aber wichtiger: er hat die Bedürfnistheorie entworfen, die überhaupt erstmalig von Bedürfnissen des Menschen sprach. Und sie obendrein auch noch positiv bewertete, statt sie zu verurteilen. Freud hatte noch düster von „Trieben“ gesprochen, die man unterdrücken müsse, weil sie zerstörerisch seien. Die Behavioristen wollten den Menschen an die Gesellschaft anpassen.
Seine Eltern waren arme jüdische Einwanderer aus Osteuropa, die sich im Slum von New York durchschlagen mussten. Maslow beschreibt seine Kindheit als schwer und düster, denn die anderen Kinder übernahmen rassistische Ansichten ihrer Eltern und grenzten ihn als Kind von Juden und Einwanderern aus. Er wurde sogar von antisemitischen Schlägergruppen verfolgt und mit Steinen beworfen. Er zog sich von anderen Kindern zurück und verbrachte den grössten Teil seiner Kindheit in der öffentlichen Bibliothek. So verdankte er der Ausgrenzung durch die anderen wenigstens eine umfangreiche Bildung.
Als Jugendlicher trainierte er möglichst viel, um Muskeln aufzubauen und lernte boxen. Nur so meinte er, sich gegen Schläger durchsetzen zu können. Erst in der Universität beruhigte sich sein Leben.
Ohne dass es seine Sicht auf die Welt eigentlich hätte sein können. Denn es war der Zweite Weltkrieg und das Bekanntwerden der Konzentrationslager, vor deren Hintergrund sein Werk entstand. Maslow sprach davon, dass der Mensch seine Bedürfnisse entfalten müsse, um ein ausgeglichener Mensch werden zu können, der zu seinen Mitmenschen auch ein guter sein könnte. Mich hat er sehr berührt. Nicht nur wegen seines schriftlichen Werkes. Ich muss zuerst über den Hintergrund eines Menschen wissen, bevor sich seine Aussagen einordnen kann. Und mich berührt, dass ein Mensch positiv über das Wesen des Menschen schreiben kann, der es selbst so anders erfahren hat, der über die Entfaltung von menschlichen Bedürfnissen schreiben kann, während er von Konzentrationslagern erfuhr. Dazu kommen die Porträts, die von ihm überliefert sind und ihn in der Regel mit einem gütigen und vielleicht etwas verschmitzten Lachen zeigen. Auf jeden Fall strahlt er eine Warmherzigkeit aus, die man spüren muss, um zu verstehen, in welchem Geist sein Werk geschrieben wurde.
Maslow hat auf jeden Fall einen Teil aller Generationen von Psychologen nach ihm beeinflusst, die die Aufgabe der Psychologie nicht darin sehen, einzelne abweichende Menschen als „krank“ zu etikettieren und an Forderungen der Gesellschaft oder Obrigkeit anzupassen, die als einzige für Gutes in der Gesellschaft sorgen könnten, da die einzelnen Untergebenen im Prinzip bösartig seien. Sondern die ihre Aufgabe darin sehen, Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern.