Die Psychoanalyse (PA) ist die älteste der klassischen Psychotherapieschulen. Sie hat als überragenden Gründervater den Wiener Nervenarzt (Vorläufer des Psychiaters) Sigmund Freud. Der wirkte ab Ende des 19. Jahrhunderts in Wien und war mit den Verhältnissen in den damaligen Nervenheilanstalten (Psychiatrien) sehr unzufrieden. Seiner Meinung nach wurden die Patienten eigentlich nur weggesperrt und mit teils grausamen Methoden wie Bädern in heissem und kaltem Wasser mehr gequält, als dass ihnen geholfen wurde. Als wirkliche Hilfe sah Freud an, dass mit ihnen gesprochen und nach tieferen Ursachen ihrer Probleme und für die Gesellschaft verstörenden Verhaltensweisen gesucht würde.
Es gelang Freud noch nicht, die Nervenheilanstalten zu ändern. Vermutlich auch deswegen nicht, weil lange Gespräche doch viel mehr Personal erforderten und damit viel teurer waren als das Wegsperren. Freud eröffnete eine eigene Praxis als Privatarzt, die man heute noch als Museum besuchen kann, in der Berggasse 19.
Freud entwickelte ein sehr kompliziertes Strukturmodell der Psyche, dass das Zustandekommen der Gefühle, Werte und Verhalten des Menschen erklären sollte. Gymnasialkurse Psychologie lernen das Modell z.T. heute noch, in den Hochschulen ist es out. Wirklich beweisen konnte er es nicht. Was aber auch nicht nötig war, denn die älteren Theorien der Nervenärzte waren auch nicht im naturwissenschaftlichen Sinn bewiesen.
Freud nannte seine langen Gespräche mit seinen Patienten Analysen. Sie fanden auf seiner berühmten Couch statt, auf der der Patient sich legte, während er in seinem Sessel daneben sass, Fragen stellte und sich Notizen machte. Die Analysen kamen vor allem bei den Frauen der Wiener Oberschicht sehr gut an.
Analysen sind aber keine planlosen Gespräche, in denen der Patient etwa von allem erzählen kann, was ihn bedrückt. Wann immer ein Problem oder eine Sorge benannt wird, sucht der Psychoanalytiker die Ursache im Verhältnis des Patienten zu seinen Eltern in der frühen Kindheit. Dies ist bestimmt von recht starren Schemen, etwa einer sexuellen Anziehung, die der Vater auf das Mädchen und die Mutter auf den Sohn ausgeübt haben soll und aus deren Ablehnung resultierende bleibende Verletzungen, so genannten Narzissmen wie etwa dem Penisneid des Mädchens.
Der Psychoanalytiker verrät dem Patienten, wie dessen Erfahrungen und ungeordnete Gefühle in dieses Schema der Narzissmen einzuordnen seien. Damit kommt der Patient zu Erkenntnissen über sich, die er selbst ohne das überlegene Wissen des Analytikers über die Ordnung der seelischen Dinge nicht hätte erlangen können.
Im 21. Jahrhundert mögen Freuds Ideen über die Sexualität der Seele recht bizarr klingen. Bei heuten Psychoanalytikern findet man erstaunlicherweise (wenn man selbst keiner ist) das Phänomen, dass sie sich z.T. entschieden von Freuds Theorien distanzieren, weil sie merken, dass sie auf die heutige Zeit seltsam wirken. Der Autor gehört nicht zu denen, die sie verurteilen; dazu ist er zu sehr als Historiker geschult, der die Menschen und ihre Ideen zu anderen Zeiten immer aus deren Zeit heraus sehen. Und zu Freuds Zeit war es bahnbrechend und auch wertvoll. Denn Freud rührte am grossen Tabu, das auf der Sexualität generell lag, die man zwar tat, über die man aber nicht sprach. Verklemmtheit war Dauerzustand und der Gesundheit der Seele vermutlich auch nicht förderlich. Wenn man das für überholt hält, mag man sich durchaus selbstkritisch fragen, ob das frühe 21. Jahrhundert auf seine Weise nicht auch irgendwie verklemmt ist, wenn es angesichts von Gedankengebäuden wie dem von Freud gleich „Pädophilie“ denkt und sich damit das Denken verbietet…
Freuds bleibendes Vermächtnis für alle Psychologen ist auch, dass er die Psychotherapie überhaupt für Psychologen geöffnet hat. So selbstverständlich es heute erscheint, dass Psychologen Psychotherapie machen: zu Freuds Zeiten war das kein Gedanke, der gedacht wurde. Es war ein Teil der Heilkunst und somit nur Ärzten offen. Eher sprach man mit einem Chirurgen oder Gynäkologen über seine Seelensorgen als mit einem Psychologen (!) Freud schrieb aber, dass auch andere Berufe wertvolle Anregungen für das Gesunden der Patienten geben könnten und die Seelenheilkunst für sie geöffnet werden sollte. Eine aussergewöhnlich tolerante Einstellung, die einen grossen Mann verrät und auszeichnet.
Die Psychoanalyse unterteilt sich wieder in mehrere Tochterschulen nach Schülern von Sigmund Freud wie C.G. Jung und Adler. Die Unterschiede sind nur für Psychoanalytiker verständlich, weshalb ein Nicht-Psychoanalytiker bescheiden darauf verzichtet, sie erklären zu wollen.
Psychoanalyse ist in allen deutschsprachigen Ländern eine zugelassene Kassentherapiemethode und ca. 5 Prozent der Therapeuten haben sie gelernt. Die recht geringe Anzahl ergibt sich aus den besonderen Kosten der Ausbildung, die meist doppelt bis dreimal so teuer wie die anderer Schulen sind.