Der klientenzentrierte Ansatz ist einer von mehreren neuen Ideen, die sich ab den 1940er Jahren als weitere Alternativen zu Psychoanalyse und Behaviorismus entwickelten. Er hat einen Gründer, den Psychologen Carl Rogers. Der fing in den 1930er Jahren als Psychoanalytiker in einem Zentrum für Mütterberatung an. Er merkte bald, dass ihn die starren Schablonen der Probleminterpretation von Freud nicht weiter brachten. Es half den Müttern nichts, zu erfahren, dass sie ihre eigenen Väter begehrt hätten usw. etc.

Rogers war von Anfang an ein guter Zuhörer, was man in keiner Ausbildung lernt. Deshalb bemerkte er dass sie eigentlich alle wussten, was bei ihnen schief lief und niemanden brauchten, der ihnen dies sagte. Sie wussten sogar irgendwie schon, was sie eigentlich richtigerweise tun müssten. Ihr Problem war: sie fanden keine Kraft, dieses Wissen umzusetzen.

Rogers schloss daraus, dass die Aufgabe des Therapeuten darin liegen muss, ihnen irgendwie diese Kraft zu geben. Und auch hier half ihm seine Haltung, zu entdecken, wie das geht. Denn er bemerkte, dass er, wenn er darauf verzichtete, ihnen zu sagen, was sie tun müsste und „nur“ zuhörte und bei ihnen war, ihnen auf mysteriöse Art viel von der Kraft gab, sich so zu verändern, wie sie sich verändern mussten, um ihre Probleme zu lösen.

Für einen Psychologen und Therapeuten war das eine sensationelle Feststellung. Es kam also gar nicht darauf an, etwas für oder mit den Klientinnen zu tun. Ein Therapeut musste nicht besser wissen als die Klientin, was gut und richtig für sie ist. Er muss sie nicht diagnostizieren und ihr keine Normen von Gesellschaft oder Obrigkeiten aufdrücken. Sie wussten das alles schon und versuchten eigentlich von sich aus schon, sich anzupassen. Er muss keine Konflikte mit den Eltern in der Kindheit analysieren und kein Verhalten an- oder aberziehen. Er musste eigentlich „nur“ da sein und ihnen auf eine bestimmte förderliche Art zuhören. Eine Art, die kein Nur ist, da man in der Gesellschaft kaum je findet, nach der aber alle Menschen immer suchen.

Er machte es zu seinem Lebenswerk, das förderliche Zuhören zu einer eigenen Kunst zu entwickeln und es stets zu verbessern. Dafür führte er als neu in die Ausbildung von Studenten ein, Gespräche auf Tonband aufzunehmen, nachher anzuhören und auszuwerten, an welcher Stelle die Klientinnen sich wohl fühlten und an welchen weniger. Nur wenn sie sich bei ihrem Therapeuten wohl und geborgen fühlten, konnten sie ihre Kräfte finden und entwickeln.

Rogers liess einige seiner Gespräche mit einigen Klienten, die damit einverstanden waren, oder mit Schauspielern aufzeichnen. Daher kann man einen Einblick bekommen, wie ein Therapiegespräch bei Rogers aussah. Ein Beispiel ist ein Gespräch mit einem schwarzen jungen Mann, der über Rassismus berichtet. 1977 war es in den USA sehr selten, dass Weisse sich so etwas ohne Widerspruch von einem Schwarzen anhörten. Manche meinen, dass das sogar heute noch so sei. In einem anderen Gespräch erläutert er auch an einigen Stellen, warum er etwas Bestimmtes sagt oder fragt.

Eigentlich wollte Rogers keine neue Therapieschule gründen, sondern hatte die Hoffnung, er könnte andere davon überzeugen, seine Ideen in ihre Arbeit zu integrieren. Deshalb nannte er seine Ideen bescheiden auch nur einen Ansatz. Der von anderen in ihre Arbeit integriert und angepasst werden könnte. Doch die bestehenden Schulen der Psychoanalyse und des Behaviorismus lehnten seine Ideen kategorisch ab. Völlig undenkbar war und ist für sie schon die Grundannahme, ein Klient könne bereits wissen, was gut für ihn ist und dass das auch richtig in der Gesellschaft sein könne.

Rogers entwickelt den Namen seines Ansatzes ständig weiter, so dass es heute viele Versionen gibt. Der letzte war personzentrierter Ansatz. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass bei ihm die Person in der Klientenrolle führt und nicht ein überlegener Therapeut.

In Deutschland waren die personzentrierten Therapeuten in den 1980er Jahren die meisten, haben sich aber zuviel um ihre Klienten und zuwenig um Politiker gekümmert. Deshalb bekamen sie keine Krankenkassenfinanzierung und sind heute verschwunden. In Schweden sieht es ebenso aus. In Österreich und der Schweiz ist der personzentrierte Ansatz mit den Krankenkassen abrechenbar. In Österreich sind sogar die meisten Psychotherapeuten in dieser Schule ausgebildet.